Behördengänge, wie sie jeder kennt
Montag, 04. Juli
Schon um 6:58 trifft Lagerist Erwin B. in der
Kraftfahrzeugzulassungsstelle Burgdorf Weststadt ein, wo der
Schalterbetrieb um 8 Uhr beginnt. Seine Pünktlichkeit wird nicht
belohnt. 262 Mitbürger waren schneller.
9:06 Uhr
Durch das Spalier der schwitzenden Warteschlange - Sitzplätze gibt es
nur 16 - bahnt sich Amtsinspektor Alfred Köppel mit eisiger Mine seinen
Weg zur Öffnung der Büroräume. Der seit halb sechs wartenden Nummer 3
der Warteschlange, raunt Köppel nach einem flüchtigen Blick auf dessen
Dokumente, noch ein nachsichtiges "Nutzfahrzeuge Nachmittags!" zu und
verschwindet in seinem Büro.
9:28 Uhr
Aufruf des Antragstellers Nummer eins, der auf dem Gelände übernachtet
hatte.
9:29 Uhr
Antragsteller Nummer eins verlässt als gebrochener Mann den Amtsraum.
Die Zündschlüssel für sein Fahrzeug werden später zusammen mit einem
Abschiedsbrief und einer ungültigen ASU-Bescheinigung am Ufer des
Irenensees gefunden.
11:38 Uhr
Der maschinelle Stempel auf Erwin B's Versicherungsdoppelkarte wird von
Amtsinspektor Köppel als mögliche Fälschung moniert. Beim Versuch,
unanfechtbaren Ersatz zu beschaffen, wird Erwin B. auf dem Weg zur
Versicherungsagentur wegen überhöhter Geschwindigkeit in einem nicht
zugelassenen Fahrzeug vorläufig festgenommen.
Donnerstag, 07. Juli
Nach einer unruhigen Nacht vor dem Hauptportal des Straßenverkehrsamtes,
in der Erwin B. immerhin auf Platz fünfzehn vorstoßen konnte, sickert
durch, dass Donnerstags neuerdings nur noch Krafträder bis 500 ccm,
sowie landwirtschaftliche Zugmaschinen mit ungeradem Baujahr bearbeitet
werden.
Freitag, 08. Juli
Gegen 12:07 Uhr gelingt Erwin B. überraschend der Vorstoß an den
Schreibtisch von Amtsinspektor Köppel. Der vorherige Antragsteller
musste das Zulassungsverfahren für seine nicht mehr fabrikneue Borgward
Isabella nach 40 Jahren vorzeitig abbrechen, weil Neuwagen ohne
Katalysator nicht mehr zugelassen werden. Da die Antragsfrist werktags
um 12 Uhr endet, kommt es nur noch zu einer mürrischen Begrüßung
zwischen Erwin B. und Köppel und dem Verweis auf die Bürozeiten der
nächste Woche. Erwin B. beschließt, diesmal alle anderen Antragstellern
zuvor zu kommen.
Montag, 11. Juli
Nach einem tristen Wochenende im engen Garderobenschrank der Amtsräume
hat Erwin B. an Startnummer eins kein Glück. Der bestens ausgeruhte
Amtsinspektor erkennt auf einen Blick die nachlässige Entgratung der
Bohrlöcher auf den alten Nummernschildern, sowie das teilweise
unleserliche Datum auf der Abmeldebescheinung. Zu allem Unglück fällt
Köppel über eine gravierende Unregelmäßkeit in den Antragsdokumenten.
Erwin B.s kürzlicher Umzug vom Önkelstieg 31 nach 31b gehe aus den
letzten ASU-Berichten nicht hervor. Aus einer menschlichen Regung heraus
verzichtet Köppel zwar auf Strafverfolgung dieser Tatbestände, muss den
Antrag natürlich dennoch ablehnen.
Dienstag, 12. Juli, 7:17 Uhr
Amtsleiter Köppel lehnt unter Hinweis auf das fehlende polizeiliche
Führungszeugnis des Vorbesitzers, sowie die verjährte
Unbedenklichkeitsbescheinigung für die selbstklebende Parkmünzbox, den
gesamten Zulassungsantrag erneut ab.
7:31 Uhr
Drei entsicherte Eierhandgranaten mit gültiger Nato-Prüfplakette rollen
vom Hauptportal kommend mit hohlem Geräusch durch den sorgsam
gebohnerten Flur der Kraftfahrzeugzulassungsstelle. Vier Sekunden später
erschüttert eine gewaltige Detonation den historischen Marktplatz.
7:54 Uhr
Das Straßenverkehrsamt Burgdorf ist nicht mehr. Aus rauchenden Trümmern
befreien sich verwirrte Menschen ohne Hoffnung. Antragsteller, wie Du
und ich, die nur mal ein Kraftfahrzeug anmelden wollten.
:kaputtlachen: :kaputtlachen: :kichern: :zwinkern: